Dienstag, 6. April 2021

Intimität - Zwei verschiedene Paar Schuhe

"Du bist nicht so die Küsserin, oder?
Ich nämlich eigentlich schon..."


Tja, eigentlich bin ich das schon. Küssen ist ne ziemlich schöne Sache, die man auch tun kann, ohne tatsächlich intim mit jemandem werden "zu müssen"... oder?! Ist das wirklich so? Ist Küssen quasi nur eine Vorstufe des eigentliches Aktes und weitaus weniger intim als Sex? Ich glaub ich stehe da mit meiner Meinung zu diesem (ja, jetzt wird's zu einem) ganz speziellen Thema, tatsächlich ziemlich allein auf weiter Flur. Nachdem mir dieses Zitat auf einer Gassi-Tour wieder in den Sinn gekommen ist, hab ich darüber nachgedacht, wie mein Gegenüber überhaupt auf die Frage kam. Klar, wenn man bereits intim miteinander war, aber die große Knutscherei auf dem Weg dahin ausgeblieben ist, mit der sowas ja eigentlich immer anfängt, dann ist das schon irgendwie... komisch? Besonders? Anders? Wieso war ich in diesem Moment (diesen Minuten, Stunden oder was auch immer) so? Ich hab darüber nachgedacht!
Die Frage, die hier bei mir, für diesen Kontext, an oberster Stelle steht, ist: Ist Sex tatsächlich die intimste Handlung, die zwei Menschen miteinander vollführen können? Nun, ich denke nicht, nein. Vor geraumer Zeit stand ein Mann vor mir, als wir uns unterhielten, dessen Individualabstand sehr viel geringer ist als meiner. Ob das ein grundlegendes Merkmal seines Wesens ist oder ob das tatsächlich nur bei mir zum Vorschein kommt, weil er sich irgendwie von mir angezogen fühlt, sei mal dahin gestellt. Das ist auf jeden Fall das, was ich wahrnehmen konnte - Der Abstand zu mir, fällt sehr gering aus. Dieser Mann stand also vor mir, während wir miteinander redeten. Vielleicht einen halben Meter entfernt und hinter mir, im Flur, war nicht all zu viel Raum (zum Flüchten^^). Als er sich mir dann ganz unscheinbar - und ich bin mir sicher auch unbewusst und ohne jegliche Hintergedanken - etwas weiter nährte, machte ich ganz automatisch einen mittelgroßen Schritt zurück. Ja, ich hab absichtlich nicht kleinen (oder großen) gesagt, denn beides träfe nicht zu. Er spürte das und wich gefühlt denselben Abstand den ich mir nahm, auch nochmal nach hinten aus. Ich weiß noch, dass ich mich selbst ertappt fühlte, als ich den Schritt machte ohne es meinem Körper quasi zu befehlen und dass ich mir unhöflich vorkam, weil ich mir sicher war, dass keine rüpelhafte Absicht hinter seinem Handeln ssteckte. Aber ich brauchte mehr Raum und ich nahm ihn mir nicht nur, ich bekam ihn auch von ihm zugestanden.
Warum aber war mir das in diesem Moment so unangenehm? Ich kannte den Kerl schon seit geraumer Zeit. Wir umarmten uns zur Begrüßung, gingen entspannt miteinander um und flüchtige Berühungen, wie sie im Alltag nun einfach manchmal nicht ausbleiben, wenn man sich auf dem selben Raum befindet, waren völlig normal und auch wertfrei. Dieser Moment aber, zwischen Türzarge und Flur, der war anders. Und wieso? Weil es unsere Gesichter waren, die sich so nah waren und nicht unsere Gürtellinien. Einfache Erklärung für mich, mit meiner Einstellung, aber ich will Euch erläutern wie ich das meine.
Sex wird allgemein als eine sehr intime, oftmals sogar als intimste Handlung überhaupt zwischen zwei Menschen definiert. Klar, ich versteh auch warum. Man ist sich bei diesem Akt nämlich nicht nur nah, man ist quasi eins. Vertrauen spielt für viele (vermutlich mehr Frauen) hier eine große Rolle, weil man sich näher nicht sein kann und den Mann ja nun im Wahrsten Sinne des Wortes in sich hinein lässt. Voll heiliger Tempel und so. Aber ist der Geschlechtsakt an sich (boah, watt n unsexy Wort!^^) tatsächlich so wahnsinnig intim? Ich meine, was ist mit Prostitution? Menschen - meist Männer - bezahlen für Geschlechtsverkehr mit einer Person, die rein gar nichts für sie empfindet.
Kurzer Exkurs: In unserern Intimzonen sitzen zwar schier unendlich viele Sinnesrezeptoren, aber die Seele sitzt woanders und sollte die nicht Teil eines so besonderen zwischenmenschen Zusammenspiels sein? Ist das nicht der Sinn hinter dem Eins-sein? Ich weiß nicht wir Ihr das so seht oder ob Ihr überhaupt an sowas wie eine Seele glaubt, aber in vielen Kulturen ist es so, dass die Seele untrennbar an ein bestimmes Organ gebunden ist. Oftmals werden hier Herz, Hirn, Kehle, Blut oder gar Haare genannt. Ich glaube, die Seele sitzt genau dort, wo sie den Menschen, die richtigen Entscheidungen treffen lässt. Auf halbem Weg zwischen Herz und Hirn - in der Kehle. Wir alle haben diese kleine Kuhle, unten am Hasende, zwischen den Schlüsselbeinen. Dort wo viele Frauen den Anhänger ihrer Kette tragen, der für sie etwas wesentliches darstellt. Amulette mit Bildern der Liebsten z.B. werden nicht an überlangen Ketten getragen, die einem vor dem Herzen rumbaumeln, denn dort sind gebliete Menschen meist schon. Die baumeln stattdessen dort wo die Seele sitzt.
Die Prostituierten schlafen mit den Männern ohne mit der Wimper zu zucken. Frei nach dem Motto "Ist doch nur Sex", aber die 'edlen' Prostituierten (zumindest hört man das so immer) küssen ihre Freier nicht, zumindest nicht auf den Mund. Wieso nicht? Weil man dazu tatsächlich Gefühle braucht? Gefühle, die etwas mit Leidenschaft und nicht nur mit primitiven Trieben zu tun haben? Sicher! Küssen ist ja auch etwas Menschliches! Sex haben alle Lebewsen auf die eine oder andere seltsame oder komische Art und Weise und wir bilden uns auch ein, dass manche Tiere sich küssen, rumschnäbeln oder gar lieben. Aber Fakt ist, dass es im Tierreich eher ein Balzen und den anderen Bezirzen ist, und dazu gehört eben dieses Verhalten. Wir Menschen, küssen aus und mit Leidenschaft. Der Liebe wegen, auch wenn sie vielleicht gerade erst entsteht. Nach dem vermeintlich harmlosen Händchenhalten ist der erste Kuss, der erste Moment in dem die Zunge, die des anderen berührt, der Augenblick auf den man gefühlt Ewigkeiten lauert. Es kribbelt einem in der Brust, raubt einem wahrhaftig den Atem und erst dann folgt alles Weitere. Sex... kann man auch ohne jegliches Kribbeln haben. Ein Trieb der befriedigt wird, ein Akt der die Miete bezahlt, ein Spaß weil einem langweilig war... Ich persönlich finde - zumindest wenn man die andere Person kennt und ihr einen gewissen Grad an Vertrauen entgegenbringen kann - die Knie auseinander klappen zu lassen, ist sehr viel leichter als jemandem - egal wie sehr man ihm vertraut -  mit dem Gesicht nahe zu sein.
Darum war es für mich unngenehm, besagtem Mann in diesem Moment in der Türzarge so nah zu sein. Es war nicht sein Schwanz, der mir zu nah kam und Gefahr barg, es war meine Seele, die nicht genügend Abtand zu seiner hatte. Mag jetzt vielleicht etwas zu sprirituell klingen, aber ganz so ist es nicht gemeint. Sich mit den Gesichtern so nah zu sein, dass man sich binnen 2 Sekunden küssen könnte, ist (zumindest für mich) viel schwerer zu ertragen, als wenn sich die Gürtellinien bei einer Umarmung berühren. Das ist wie mit Augen. Die Augen sind ja auch der Spiegel der Seele und nicht etwa die Vagina. Klar, die Augen sind der Seele ja auch näher...^^ Wenn sich jemand meine Vagina 10 Sekunden lang anschaut, kann ich das verkraften ohne den Blick abzuwenden. Bei direktem Blickkontakt mit einer Person, die mir vielleicht etwas oder aber rein gar nichts bedeutet, ist es wesentlih unangenehmer standzuhalten.
Versteht Ihr was ich meine? Ich finde eben nicht, dass Sex wirklich das intimste Szenario ist, was zwei Menschen miteinander teilen können. Es ist letztlich ein Trieb, der geweckt und dann befriedigt wird. Jeder kennt die Situation, dass man eigentlich müde ist und schlafen will, der Partner dann aber gewisse (intime!) Körperstellen berührt und liebkost, die einen dann plötzlich doch wach und auch erregt werden lassen. Ein Knopf aus der Urzeit, den man nur zu drücken wissen muss. Zum Küssen aber muss man aktiv teilnehmen und sich nicht nur "befummeln" lassen. Küssen ist immer etwas Aktives zwischen zwei Menschen, Sex kann durchaus auch total passiv sein. Keine Leidenschaft, keine Gefühle, keine Seele mit im Spiel.
 
Das bringt mich zur nächsten Frage: Wenn somit klar ist, dass Küssen für mich, an sich, die intimere Handlung im Vergleich zu Sex ist, wieso wäre es dann rein hypothetisch, schlimmer wenn mein Partner Sex mit jemand anderem hat und ein Kuss wäre dann eben nur ein Kuss? Klar, kommt es beim Kuss auch immer etwas auf die Art und Weise an (Ein alkoholisiertes Bussi auf den Mund ist was anderes als leidenschaftliches Geknutsche hinter der nähsten Ecke...) aber ich glaub darüber muss ich erst noch nachdenken.

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