Mittwoch, 13. November 2019

Von Fremdwörtern und Radiergummis

"Es ist besser keine Entschuldigung zu bieten,
als eine schechte"
[Georg Washington]


Heute ist mir etwas wie Schuppen von den Augen gefallen! Eine Sache die ich vermutlich ganz tief in meinem Inneren schon immer (oder sagen wir sehr sehr lange) wusste, die mir aber jetzt in diesem Moment, noch während ich schreibe - obwohl ich schon im Laufe des Tages den Einfall für diesen Post hatte - erst so richtig bewusst wird. Es geht um Entschudligungen, oder besser gesagt um das Wort an sich: "Entschuldigung".
Es gibt so viele Menschen auf diesem Planten und ich teile sie alle heute in 4 Gruppen:
 
Die Menschen,
... die sich entschuldigen können (Respekt und Lob an Euch!).
... die sich NICHT entschuldigen können oder denen es unsagbar schwer fällt.
... die sich entschuldigen müssen (für welche Schandtat auch immer).
... die eine Entschuldigung erwarten, brauchen oder eben AUF eine warten.

Gruppe 1:
Ihr steht nicht umsonst ganz oben auf meiner Liste. Sich zu entschuldigen ist eine ziemlich komplizierte und schwierige Sache. Und wer sich schon mal für einen wirklich bösen Fehler entschuldigen musste, wollte, hat oder hätte müssen, der weiß wovon ich rede. Ich spreche nicht von einem kurzen Sorry, wenn man beim Schiwmmen aus Versehen etwas von seiner Bahn abkommt und jemand anderen anstößt oder ihm beim Rückenschwimmen hinten rauf schwimmt. Ich spreche auch nicht von Kevin haut Chantalle im Sandkasten die Schippe über den Kopf und muss dann "Tut mir Leid" sagen, obwohl er es gar nicht so meint und es ihm eigentlich scheiß egal ist, nur weil die Kindergärtnerin es ihm "befielt". Gehört sich halt so... (ja, verdammt! Gehört sich so!) Ich spreche von einer aufrichtigen Bitte um Verzeihung. Wenn man sich schämt für das was man gemacht hat, wenn man jemanden unglaublich Unrecht getan hat oder man jemanden maßlos verletzt hat. Davon sprech ich! Sich dann vor Augen zu halten wie schlimm es eigentlich wirklich war was man gemacht hat und wie sehr es dem anderen geschadet hat (hoffentlich war es nur einer!) ist sicher gar nicht so leicht - weil man dann mit sich selbst leben muss. Und weil man sich dann dazu entschließen kann, wenigstens zu versuchen es "wieder gut zu machen". Dazu braucht man Eier - und die haben heutzutage leider nur noch die wenigsten. Und eine Sache fällt mir da noch ein: Wenn Ihr Euch entschuldigt habt, egal für welche schlimme Sache, die ihr gemacht habt, wenn Eurer Gegenüber Eure aufrichtige Bitte um Vergebung annimmt, muss danach auch gut sein. Wenn man sich entschuldigt, und einem verziehen wird, darf das Vergehen nicht bei jedem Streit oder anderer negativen Gelegenheit wieder herausgekramt und Euch vorgehalten werden. Ich weiß, vergeben heißt noch lange nicht gleich auch vergessen, aber (durch meine Therapie hab ich gelernt:) jemandem zu verzeihen (egal was) ist ganz und gar keine Frage von können, sondern eine von wollen. Wenn man sich dazu entscheidet jemandem zu verzeihen, dann muss an diesem Punkt auch gut sein. Und wenn Euch scheinbar verziehn wurde und was auch immer Ihr getan habt, dann doch immer wieder rausgekramt und gegen Euch verwendet wird, dann - ganz ehrlich - ist die andere Person kein Stück besser als Ihr, die Ihr in der Bringschuld standet. Sie hat Eure Entschuldigung nicht verdient. Strafe muss sein klar, aber man wird ja hier in Deutschland auch nicht für eine und dieselbe Straftat mehrmals verknackt.

Gruppe 2:
Ihr seid die richtigen Lutscher! Ja, sorry, aber was soll ich hier großartig rumschwadronieren und es schön reden? Wir haben doch eben gelernt, dass manche Dinge, wie, für die von einem gebaute Scheiße gerade zu stehen, einfach zum guten Ton gehören. Haben Eure Eltern Euch nicht richtig erzogen gekriegt oder seid Ihr einfach nur scheiße feige? Ja, die beiden Wörter sind mit Absicht in genau dieser Kombination so von mir gewählt worden. Ihr habt jemanden verraten der Euch wichtig ist? Entschuldigt Euch! Ihr habt jemanden zu Unrecht beschuldigt? Entschuldigt Euch! Ihr habt Euren Geschwistern den letzten Lieblingsjogurt weggegessen? Na super, das ist doch mal was Leichtes womit Ihr anfangen könnt zu üben! Entschuldigt Euch! Himmel Arsch und Zwrin, so schwer ist es nun auch wieder nicht. Zumal: Wenn Ihr Euch mal kurz zusammengerissen hab, dann fühlt Ihr Euch danach auch besser. Dass Ihr dann stolz auf Euch sein könnt, wäre krass übertrieben, weil Ihr immer noch diejenigen seid, die so krass scheiße gebaut haben, dass sie sich entschuldigen müssen, aber besser fühlen kann man schon sagen - und Euch Betrügern, Lügnern und Dieben vielleicht sogar gönnen. Aber erwartet keinen Lobgesang! By the way, wer jetzt mit der Ausrede kommt, er wüsste gar nicht wie man sich richtig entschuldigt, Sheldon Cooper hat da ne feine Anleitung für. ;)

Gruppe 3:
Tja, Ihr könnt Euch eigentlich direkt zur Gruppe zwei gesellen und Euch von mir für Eure krassen Vergehen fertig machen und verurteilen lassen. Was habt Ihr verbrochen? Geklaut? Gelogen? Was verschwiegen (was übrigens genau so ist wie lügen! - ja, Männer!) oder die Freundin beschissen? Tja, dann seid Ihr anscheinend der richtige Abschaum. Falls Ihr nur den letzten Jogurt gegessen habt, sagt trotzdem dass es Euch Leid tut, wenn Ihr es denn wirklich so meint. Dieses Geheuchel bringt niemanden weiter, außer Euch, Ihr Egoisten! Wenn Eure Schwester Sonntag, wenn kein scheiß Laden geöffnet hat, nachmittags vom Sofa aufsteht und dann voll traurig in den Kühlschrank blickt, dann fühlt Euch wenigstens wein bisschen schlecht. Es mag für Euch vielleicht nur ein scheiß Jogurt sein, eine Keinigkeit, aber manche kleinen Dinge, haben für andere einfach mehr Bedeutung.
Ich glaube Menschen, die immer wieder solche kleinen Fiesigkeiten machen, denen krieg man das nicht ausgetrieben. Sie kommen dann mit ihre locker lässigen Art daher und sagen flapsig, "Sorry Süße" und denken dann mit einem Prinz Charming Lächeln ist die Welt wieder in Ordnung, aber das ist sie nicht. Mit dem Jogurt fängt es an und igrendwann ist es die Perle Eures besten Freundes, dessen Bier Ihr doch früher schon immer weggesoffen habt. Werdet erwachsen und lernt ein bisschen (mehr!) Respekt gegenüber dem, was anderen Menschen vielleicht etwas bedeutet, auch wenn es für Euch wert- oder nutzlos oder eben nur eine Keinigkeit ist. Entschuldigungen sollte man zwar nicht leichtfertig daher labern, aber es sollte auch kein Fremdwort für Euch sein. Ihr wisst doch wie das mit Kleinigkeiten ist: Die Dosis macht das Gift. Und auf lange Sicht nimmt irgendjemand schaden. Und wenn es Euch dann eines Tages doch auffällt und vielleicht sogar Leid tut, ist es vielleicht schon zu spät.

Gruppe 4:
So... kommen wir zur wichtigsten Gruppe, neben Gruppe Nummer 1. Während ich Gruppe 2 und 3 ja eigentlich nur auf ihr Versagen (sowohl im Leben als auch im Umgang mit einem einzelnen Wort) denunziert habe, gibt es zu den Menschen aus Gruppe vier wirklich etwas zu sagen: Denn ich bin so einer. Etliche Monate hab ich darauf gewartet, dass man sich bei mir entschuldigt. Eine Person, ein einziger Satz. Das wäre so viel anständiger gewesen als alles andere was da gelaufen ist. Dieser eine Satz hätte für mich so einiges um so vieles leichter gemacht, die zweite Thearpie vielleicht sogar unnötig. Tja, ich hab aber keine aufrichtige Entschuldigung bekommen - obwohl ich über 1 Jahr darauf gewartet habe, wenn auch unterbewusst. Und mal ganz nebenbei, aufrichtig entschuldigen heißt auch nicht irgendwas lieblos via WhatsApp hinzuklatschen, sondern life, am besten Auge in Auge, zumindest aber am Telefon darum zu bitten, dass einem verziehen wird.
 
Tja... kommen wir nach endlosem Gelaber meinerseits nun endlich auf den Punkt und zur Erkenntnis die mir heute gekommen ist. Wer auf eine Entschuldigung wartet, macht sich selbst ganz schön zum Opfer. Uff... Ja, harte Erkenntnis.
Ich selbst hab das zwar schon letztes Jahr gerafft, aber eben doch nicht so ganz verstanden, nicht verinnerlicht. Ich hab gehofft diese Worte zu hören, weil ich nicht glauben wollte, dass der Mensch der sie mir schudet (ja, ich bezeichne das des guten Tons wegen trotzdem so!) wirklich so ist. Ich hab gehofft sie zu hören, weil sie mir geholfen hätte abzuschließen. Weil dieser eine Satz mein Bild von einem mir eins so lieben Menschen dann eben nicht bis auf den aller, aller letzten Pixel zerstört hätte. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich mich so getäuscht hatte und war mir sicher, wenn er sich doch nur entschuldigen würde, wären meine letzten Jahre nicht umsonst gewesen, weil ich sie dann nicht mit einem Menschen verschwendet hätte, den ich so (wie wir auseinander gingen) auf keinen Fall in Erinnerung behalten wollte.
Aber wisst Ihr was? Ich hab mich selbst zum Opfer gemacht. Ich hab erwartet, dass diese Worte eines Tages, wenn er es begreift, kommen würden und war mir sicher dass dieses drückende Gefühl des Betrugs, des sich verlassen fühlens wie ein tonnenschwerer Stein von mir abgefallen wäre. Ich war mir sicher, dass ich erst dann wirklich mit beiden Händen loslassen könnte um dann frei zu sein. Endlich. Ich hab in der Tat zwar noch ein paar nette Worte bekommen (die ich meinem zerstörten Bild von dem mir einst so lieben Freund gar nicht mehr zugetraut hätte und es eigentlich auch immer noch nicht tue) aber ... was soll ich sagen?! Es waren nicht die, die ich hören wollte. Es waren keine Worte, die mir die Last nahmen, die ich seither mit mir rumschleppte. Es waren einfach welche, die nicht gut genug für mich waren. Und ganz ehrlich: Wer weiß ob je eine Entschuldigung gut genug für mich sein könnte?! Ich weiß es nicht, aber ich warte auch nicht mehr. Und das ist gut.
Was ich sagen will: Lange, lange hing ich in dieser Schleife, darauf angewisen zu sein, dass eine Person die mich unglaubich verletzt hat, mein Leben mit ein paar Worten wieder leichter machen soll. Ja... das ist es auf's Grundlegendste heruntergebrochen - und das klingt einerseits nach hohen Erwartungen andererseits aber auch denkbar lächerlich. Wie soll jemand mit ein paar Worten oder von mir aus auch Sätzen machen dass es mir wirklich besser geht? Dass eine Last von mir abfällt? Dass ich keine Therapie brauch? Weil ich es erwarte, weil es sich so gehört oder weil ich es mir so zurechtgelegt und eingeredet hatte? Das mag zwar stimmen und vielleicht auch funktionieren, weil ich mich selbst irgendwie darauf konditioniert habe, als ich noch gewartet hab, aber vielleicht - wenn der Tag der Entschuldigung doch noch kommt - bin ich auch einfach maßlos enttäuscht, weil es eben keinen Findling gibt, der von meinen Schultern gleitet. Vielleicht ist jemandem um seiner selbst Willen zu verzeihen viel wirksamer, als darauf zu warten, dass jemand darum bittet und genausdasselbe dann erst zu tun.
Ich sagte doch nach einem Verzeihen muss es dann auch gut sein, nicht wahr?! Also, wieso dann darauf warten bis der andere seine Eier findet und tut was sich gehört und aufrichtig um Entschuldigung bittet? Wieso ihm nicht einfach selbst von sich aus verzeihen und dem Spuk, dem Warten, den quälenden Fragen, Tagen, Wochen oder gar Jahren ein Ende bereitet und einfach zu sich selbst sagen: "Ich verzeih's Dir!". Ich weiß es auch nicht... Doch! Ich weiß es. Weil verzeiehn eben manchmal genau so schwer sein kann wie um Entschuldigung zu bitten. Denn danach, muss es wieder gut sein - zumindest muss man es zu sein (oder werden) lassen.

Verzeiht jedem um Euret Willen, nicht um ihretwillen. Denn wer leidet, wenn der andere sich nicht entschuldigt? Wen quält es, wenn man verletzt worden ist? Nicht den der es getan hat, sondern Euch. Also verzeiht... und lebt weiter. Für Euch.
Ich weiß, dass das leichter gesagt ist als getan - und ich weiß das wirklich, ich sag es nicht nur so, weil ich das schmerzlich in der Therapie (der 2.!) lernen musste. Aber hier kommt mein Totschlagargument für Euch!

Egal ob sich jemand bei Euch entschuldigt oder nicht. Letztlich bleiben es nur Worte und ein guter Wille. "Entschuldigung" ist KEIN Radiergummi. Man kann jemanden nur durch das bitten um Entschuldigung nicht UN-verletzten, UN-traumatisieren oder gar UN-töten. Was getan ist, ist getan und ob Euch jemand dafür um Verzeihung bittet oder nicht, spielt eigentlich keine Rolle.
Die Zeit ist hier Eurer einziger Freund, auch wenn es abgedroschen und klischeehaft klingt. Sie hilft und heilt - also nehmt sie Euch. Nehmt sie Euch und wartet nicht auf eine Entschuldigung. Nehmt sie Euch um zu verzeihen.

Ich bin raus...
Aus dem Post und auch aus der Ofperrolle. Ich bin auf niemandes Entschuldigung mehr angewiesen um mich besser zu fühlen. Sicher sind diese Worte schön, weil sie ähnlich wie "Danke" Wertschätzung suggerieren, aber wir sollten uns alle selbst die nächsten sein und uns zunächst alle selbst am meisten schätzen.

Haut rein ;)

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