Mittwoch, 12. Dezember 2018

Reißleine

Viel zu lange, bin ich deinen Weg gegangen,
viel zu lange, viel zu weit.
 
Viel zu lange, ist mein Lachen schon vergangen,
Doch jetzt erst fühl ich mich bereit.
 
Auf einmal fühl ich wieder Puls in mir,
hör wie mein Herz sich überschlägt.
 [Johannes Oerding]


Heute sind gleich 2 ziemlich gute wenn eigentlich auch irgendwie ziemlich bedeutungslose Dinge passiert. Nicht bedeutungslos im Sinne von unwichtig, weil sie mir ja was gegeben haben, sondern eher im Sinne von "Kleinigkeiten, die glücklich machen" - das sehen viele ja heutzutage einfach nicht mehr. Traurig aber wahr.
Die erste Sache: Eine langjährige gute Freundin, hat sich auf eine 6-seitige E-Mail von mir zurückgemeldet. Ich hab ihr vor 4 Monaten aus Irland eine kurze Meldung von mir geschickt, weil ich an sie denken musste. Als ich dann die letzten Tage, angekommen im neuen Zuhause, abends endlich mal Zeit fand für all die Worte, die ich für sie übrig hatte, begann ich zu schreiben. Ich erzählte ihr alles was sie verpasst hatte. Gefühlt war das alles, denn ich hatte bis Irland über 2 Jahre nichts mehr von ihr gehört. Wieso passiert das immer wieder mit Menschen, die einem eigentlich wichtig sind? Ich versteh's nicht. Na egal, sie meldete sich zurück, und zwar mit einer Voice-Mail via Whats-App, weil schrieben bei ihr einfach zu lang dauert. Tja, es schreibt nicht jeder so flink wie ich... aber das ist schon okay.^^ So konnte ich gleich mal ihre Stimme hören. Sie war wie immer sehr verständnisvoll und nahm ehrlich Anteil an meiner Geschichte. Ich hatte ihr alles erzählt was mir passiert war. Alles von meinem Leben, das einem Katastrophen-Bericht glich, bevor ich alle Brücken abbrach und nach Irland fuhr. Und ich erzählte ihr alles was nach Irland passiert ist. Sie war fasziniert davon, dass man nicht nur vom Regen in die Traufe sondern auch wieder raus kommen kann, ohne dass man wirklich etwas dafür tun muss. Das Leben spielt zwar manchmal... komisch und unfair aber letztlich kriegt ja jeder genau das was er verdient. Und wenn uns etwas Schlimmes passiert, dann vielleicht nicht weil wir genau das verdienen, sondern weil wir daran wachsen sollen, weil wir es verdient haben, ein stärkerer Mensch zu werden, wenn wir denn wollen. Aber dafür, muss man dann was tun. Man muss wollen. Ich wollte!
Die Freundin war übrigens Miri. Meine Miri, mit der ich zusammen Abitur gemacht hatte. Sie ist zur Zeit in einer Situation, die ihr etwas Angst macht. Studium beendet und auch wenn sie einen Job hat, wartet der Umzug und - wie bei mir - irgendwie auch ein völlig neuen Leben auf sie. Der neue Wohnort macht uns allen Angst denke ich. Man hat keinen Freundeskreis mehr der unmittlbar greifbar ist und auch wenn wir insgeheim wissen, dass wir neue Leute kennenlernen und neue Freunde finden werden (ja, wir werden!) sind Veränderungen zunächst immer beängstigend. Miri hat mir eine Aussage, die sicher auf irgendein Sprichwort zurückgeht, genannt, dass sie von einer Ärztin gesagt bekommen hat. "Sie sind auch eher eine Topfpflanze als eine Schnittblume!" Ich hab Miri ein Sprichwort in meiner Voicemail an sie zurück mitgegeben. Eines, welches ich aus meinem letzten Angestellten-Job mitgenommen habe. Es hing irgendwo an der Wand und - was soll ich sagen?! - es stimmte damals einfach, also glaube ich, dass es universell einsetzbar sein könnte.

"Veränderungen sind am Anfang furchtbar, in der Mitte chaotisch und am Ende wunderbar."

Sie gab mir recht, denn es machte ihr Mut. Mein Leben, so wie es sich im letzten Jahr gewandelt hatte, machte ihr Mut, dass auch das echte Leben manchmal kleine und große Happy Ends schreibt. Meine Geschichte vom Ausgangspunkt "Alles geht den Bach runter" über meine Flucht nach Irland bis hin zum Ziel (ja, das kann man ruhig schon so nennen!) "Angekommen im neuen Leben" ist Miris kleine Weihnachtsgeschichte, hat sie zumindest gesagt. Klar müssen wir alle manchmal schwere Zeiten durchmachen, harte Prüfungen meistern (an denen wir - hoffentlich - wachsen!) und Durststrecken überstehen, von denen wir an einem bestimmten Zeitpunkt glauben, dass sie uns brechen werden... aber dann, genau dann, und keine Sekunde früher, kommt die Wende und wir wachsen und merken, dass alles, wirklich alles seinen Sinn hatte - genau so wie es passiert ist! Ich hab meine kleine Weihnachtsgeschichte selbst geschrieben, auch wenn Miri mir heute erst vor Augen geführt hat, dass es eine ist. Und das ist der Grund wieso ich eigentlich keine Geschenke brauche. Mein Jahr ist von heute aus betrachtet, jetzt wo es vorbei ist, so schnell vergangen... Und diese Reise, die eigentlich schon steil bergab begonnen hat und auf dem Gipfel auf dem ich heute mit der Nase im Wind stehe endete, ist, auch wenn es sich - solang das Leid über mir hing - endlos lang angefühlt hat, so schnell vergangen, dass der Anfang kaum mehr eine Rolle spielt. Am Ende steht immer das Glück. Und das habe ich jetzt. Ich bin am Ende - und zum ersten Mal meine ich das positiv, denn man sagt ja "Am Ende wird alles gut. und wenn nicht, ist es nicht das Ende." Meine Güte, so viele Sprichwörter heute hier.^^
Also... Ich brauch keine Geschenke, denn ich hab jetzt alles was ich wollte. Ein schönes neues Zuhause, eine vollständige Famille und einen Job. Und ich hoffe, dass sich auch für meine Freundin alles so entwickelt, dass sie am Ende ihrer Geschichte da steht, wo ich jetzt stehe.

Die zweite Sache: ist ein Song. Wie so oft ist es ein Lied das mich zum Schreiben bringt. Ich hab zur Zeit so eine Keinen-Bock-mich-draußen-zu-bewegen-Phase und weil Emma ja ihren Auslauf braucht, hab ich versucht es mir selbst wieder etwas schmackhafter zu machen und hab mir Musik mitgenommen, wenn wir Gassi gehen. Klar, muss man dann aufmerksamer sein, um seine Umgebung wahrzunehmen, aber mit Musik ist immer noch einfach alles besser. Ich hab mir meinen alten mp3-Player mitgenommen um zu sehen was sich noch so alles da drauf tummelt. Ich fand viel Gute-Laune und auch Sport-Lieder.. aber es gab noch einen Extra-Ordner. Ein einzelnes Album. Es war das Album "BOXER" von Johannes Oerding aus dem Jahr (und jetzt haltet Euch fest!) 2011!
Und ein Lied "Ich lass Dich gehen" begann mit den Zeilen, die ich Euch ganz oben als Einstieg gezeigt habe. Die ersten Zeilen waren gesungen und ich wusste: Ich hab ALLES richtig gemacht... und bin jetzt frei.


Zu Beginn meiner kleinen Weihnachtsgeschichte, im Januar diesen Jahres, hab ich mich schon ganz schön durch's Leben geschleppt. So oft war mein Raum so voll, obwohl ich allein darin war. So oft hab ich meinen Tag von Menschen bestimmen lassen, die nicht mehr da waren, aber auch nicht wirklich weg. Das alles hat unglaublich viel Kraft gekostet - über Jahre! Ich hatte schon auf halber Strecke eigentlich keine Kraft mehr, aber ich konnte nicht loslassen. Vielleicht fehlte die Kraft, die ich dazu gebraucht hätte einfach auch schon. Man sagt ja (und schon wieder ein Sprichwort!) "Genau die Kraft, die fehlt um den Sieg zu erringen, braucht man, um eine Niederlage zu verkraften." Das erscheint paradox, zu schwach zum Loslassen, aber doch irgendwie logisch, mir zumindest. Es ist ja nicht so, dass man wie bei einem Helium-Ballon einfach die Hand öffnen muss, es gehört schon etwas mehr dazu sein altes Leben (auch wenn man darin unglücklich ist) loszulassen, um ein neues Leben anzufangen. Jetzt gibt es aber nichts mehr, was mich gefangen nimmt. Ich war vorher vieleicht noch nicht bereit dafür, aber jetzt bin ich es... und das befreit. Und ich weiß: In diesem Moment, in dem ich völlig mit mir im Reinen bin und mich von allem gelöst habe, niemanden von den Menschen mehr brauche, die mir geschadet haben und wirklich glücklich bin... in diesem Moment wird eine Unmenge Energie freigesetz. Und ein Freund sagte mal: "Wenn bei Dir wirklich alles top ist, in diesem Moment, fliegt auf der anderen Seite alle auseinander." Ich will ja nicht dass meine Energie anderen Menschen schadet, aber selbst wenn dem so ist... das nennt man glaube ich Karma.😏 Und sein wir mal ganz ehrlich: 

Viel zu lange hast du meinen Tag bestimmt,
warst nicht mehr hier und doch nie weg.

Es gibt nichts mehr was mich gefangen nimmt,
Ich lös dich von mir wie en Fleck.

Auf einmal kann ich wieder klarer sehn,
hab jedes Bild von dir gelöscht.
 [Johannes Oerding]

Und um jetzt nochmal explizit auf die Headline zu sprechen zu kommen... Man sagt ja, dass man aus jeder Beziehung etwas mitnehmen sollte, wenn sie endet. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, welche Art von Beziehung das war. Auch zu Freunden und Familie hat man eine Beziehung. Ich hoffe natürlich dass niemand von Euch eine familiäre Beziehung beendet muss, aber davon ab...
Ich hab für mich aus meiner letzten "Liebes-Beziehung" in der Tat etwas sehr wichtiges mitgenommen. Man muss wissen, wann es Zeit ist loszulassen, die Reißleine zu ziehen. Und verwechselt das nicht mit aufgeben! Das ist was völlig anderes. Aufgeben, tun nur Verlierer. Die Reißleine zu ziehen, erfordert Kraft... und nur Gewinner lernen loszulassen. Ich hab gelernt, das heißt ich hab schon gewonnen.
Und wenn Dich etwas nicht mehr glücklich macht, dann lass es los...
Wenn Dir etwas mehr Kraft raubt als es Dir gibt, dass lass es los...
Wenn Du nur noch gibst und nichts mehr bekommst, dann lass los!

Ich hab heute in der Tat überlegt, ob ich mir nicht das nächste Mal einen kleinen Luftballon tätowieren lasse, um mich immer daran zu erinnern, dass ich loslassen muss, wenn ich merke, dass es (eigentlich) so weit ist. Ein kleiner süßer Luftballon, aus einer einfachen Linie, am Handgelenk oder so... Mal sehen... ;)

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