Freitag, 15. Dezember 2023

Ich bin krank

Du fühlst dich wie ein Alien
Und es ist so verdammt eng hier drin, wann hört das auf?
Du hältst dich fest an dei'm leeren Drink
Doch wenn du jetzt meine Hände nimmst, bring' ich uns hier raus 


Es ist passiert... Das Leben hat mich geschafft.
Ich weiß nicht, wie es soweit kommen konnte. Doch doch, das weiß ich schon. Entgegen aller Meinungen von außen habe ich nicht das supertolle Leben in dem ich (weil ich ja Home Office mache und einen Hund habe) so super viel Zeit für mich übrige habe, sondern in den letzten (vor allem 2 ) Jahren einfach so viel mehr geleistet als menschlich gewesen ist, dass mein Körper jetzt... Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Entweder schwenkt er die weiße Fahne oder zeigt mir den Mittelfinger. Oder - und das trifft es vermutlich am besten - erst das eine und dann das andere.
ich war Ende 2022 schon soweit, dass ich Fehler auf der Arbeit machte, die mir sonst niemals passiert sind. Wirklich niemals! Meine Chefin meinte kurz vor Weihnachten, dass sie merkt, bei mir sei "die Luft raus". Ich wusste das selbst, ich hab's ja gemerkt, doch es von ihr zu hören tat trotzdem irgendwie weh. Vermutlich vor allem deswegen, weil ich's mir nicht eingestehen konnte. Ich weiß, dass viele denken, dass mein Leben voll easy und entspannt sei, weil es auf Social Media ja so aussieht... Aber das ist eben nicht das Real Life. Das ist mein Leben, das ist mein Social Media. eine digitale Möglichkeit mich die guten Momente zu erinnern, weil es eben genügend ungute gibt. An schlechten Tagen nehm' ich mir manchmal die Zeit und schau mir meine eigenen Highlight an. Weil sie eben genau das sind. Highlights...
Anfang diesen Jahres wurde es nach einer nicht sonderlich sinnlichen Weihnachtszeit, in der ich mich auch nicht wirklich vom Jahr erholen konnte, auch nicht besser. Leider... Der Start ins Neue Jahr lief also genau so schleppend weiter, wie das alte endete. Da fraß ich etwas Ungutes durch mich durch... Ich war unkonzentriert, fing an meinen Job scheiße zu finden, schluderte und prokrastinierte, nur um mich nicht weiter damit beschäftigen zu müssen. Eine Deadline aufgeschoben und die nächste verpasst und so zog sich meine pure Effizienz zurück ins Nirwana.
Ende Februar war dann dieser eine Morgen. Ich war ausgelaugt, schlief seit Monaten kaum noch mehr als 3-4h in der Nacht, fühlte mich regelmäßig wie vom Trecker überfahren und machte mir obendrauf unglaublich viel Druck, weil ich nicht mehr so funktionierte wie sonst und es demnach nicht mehr so lief wie sonst. Nicht wie geschmiert - trotz Stress. Der Punkt, an dem ich mir eingestehen musste, dass es mir nicht (mehr) gut ging, kam am 22.02.2022. Es dauerte eine geschlagene halbe Stunde, bis ich meinem Mann gegenüber unter Tränen diesen einen Satz sagen konnte. "Ich fühl' mich einfach nicht gut." Warum grade da? Ich hatte an diesem Morgen ganze 3 Mal versucht mir meine Schnürsenkel zuzubinden. Ich konnte es nicht... und warf meinen Schuh in die Ecke.

Ich wusste Mittwoch bis Freitag krank machen, würde mir nicht helfen... Karenztage waren also keine Option. Ab zum Arzt... BURNOUT. Der Doc war erst seit kurzem da, doch mein sonst so sensibles Bedürfnis nach Vertrauen spielte keine Rolle mehr. Ich hatte keine Kraft ihm nicht zu vertrauen, auch wenn ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Zu meinem Glück, verstand er mich und nahm sich die Zeit für mich, die ich brauchte. Er fragte, wie ich mich fühle... und ich hab fast eine Stunde nur geweint. Ich hab ihm alles erzählt. Einfach ALLES. Ich glaub er wird mein Gesicht nie vergessen....

Die junge Frau, die...
- 3 Jahre lang das Kind einer anderen erzogen hat,
- täglich 3 verschiedene Gerichte zum Frühstück und Abendessen zubereitet hat,
- 2 Jahre lang den Job für 2 gemacht hat und
- somit 2 Jahre in Folge einen Firmenbereich über's Jahr gerettet hat, der sonst untergegangen wäre
- täglich von 05:20-22:00 nicht eine einzige Minute nichts getan hat oder Zeit für sich hatte
- (min!) 5x wöchentlich zum Sport gegangen ist, um sich noch irgendwie um sich selbst zu kümmern
- die täglich 2 große Gassi-Runden gemacht hat, weil sie versprochen hat, es gut zu machen
- neben ihrem Vollzeitjob ein Jahr lang versucht hat die Selbstständigkeit ihres Mannes zu supporten
- immer versucht hat ein Vorbild zu sein
- und ihren Neffen und ihre Nichte 7 Monate lang nicht zu Gesicht bekommen hat
nun vor ihm saß, wie ein Häufchen Elend.  

Er verstand meine Situation und dass es einfach nicht mehr ging. Er schrieb mich ad hoc 2,5 Wochen krank und riet mir auch wirklich mal woanders hinzufahren. "Die sächsische Schweiz soll schön sein" hat er gesagt. Ich war zunächst erleichtert, dass ich erstmal eine Auszeit bekam und gleichzeitig völlig desillusioniert. 2,5 Wochen! Wie sollte ich denn so lange nichts tun? War waren so viele Stunden, in denen ich so unendlich viel hätte tun können. So viel Sinnvolles. Mehr als ein halber Monat Zeit ohne meinem Job nachzugehen... Ich realisierte das gar nicht und war - egal wie erschöpft ich war - weiterhin
 um 05:20 Uhr wach. Hellwach. Also fuhr ich eine Woche später in die sächsische Schweiz. Es war schön, aber so schön jetzt auch wieder nicht.^^
Ich fing erst am Ende der 2,5 Wochen langsam an zu realisieren, dass ich eben NICHT die 16,5h die ich tagsüber wach war, unter Strom stehen musste. Das sagte ich dem Doc als ich ihn gegen Ende der ersten Krankschreibung wieder sah und er sah das auch. Er schrieb mich erneut 2 Wochen krank. Diesmal war die Desillusionierung nicht ganz so hart. Ich hab kommen sehen. Ich versuchte meine tage so zu gestalten, dass sie mir Freude machten und teilweise klappte das auch, aber nach der nächsten 1- wöchigen Krankschreibung wollte ich wieder arbeiten, weil nach 6 Wochen a) das Geld weniger wird und ich b) als guter deutscher Arbeitnehmer natürlich auch voll das schlechte Gewissen hatte, meine Chefin so lang im Stich zu lassen.

Meine Leistungsfähigkeit und die Einstellung zu meinem Job wurde nach dieser stümperhaften 6-wöchigen Ruhepause nach meinem Burnout natürlich nicht auf wundersame Weise wieder so wie vorher. Ich schleppte mich wieder in meine vergiftete Arbeitsatmosphäre, zu meiner mittlerweile verhassten Chefin, die mir nach fast 6-wöchigem Ausfall, ohne zu wissen was passiert ist, auch noch kackendreist ins Gesicht sagte "Tja, Das Leben passiert halt!" und meine Motivation und Arbeitsmoral so vollends zerstörte... Und wir merken mal an: Ich hätte ja auch überfallen und vergewaltigt worden sein oder meine Eltern samt Elternhaus bei einem Brand verloren haben können... Nur mal so by the way. Aber egal, passiert halt. Von einer 25-jährigen kann man halt auch nicht erwarten, dass sie weiß wie man Mitarbeiter kompetent führt.
Der Sommer kam, ich versuchte mich trotz allem um mich zu kümmern, aber etwas war einfach anders als sonst. Diese "hyperindependent woman", die ich eigentlich war, die war irgendwie nicht mehr da. Dieser leistungsstarke, quasi unverwundbare Avatar, den ich über Jahre kreiert hatte, hatte nicht nur einen Riss in seiner harten Schale, sondern einen Gletscherspalt biblischen Ausmaßes und das weiche Innere im Kern lag jetzt quasi offen da. Das Jahr 2022 hatte mich gebrochen. Ich war kaputt.
Diese Erkenntnis trifft noch heute hart, fast ein Jahr später. Die Angststörung kickte in dieser immer noch irgendwie akuten Stress-Situation erst so richtig. Ich hatte mehrere Panik-Attacken im Sommer. 3 Mal in der Öffentlichkeit, was vorher noch nie vorgekommen ist und bei einer war ich ganz allein. Sterben auf offener Straße war das. Und das aller schlimmste, waren die 3 Radfahrer, die mich ohne einen Funken des sich Kümmerns passierten, während ich hyperventilierend und zittern am Rand des Radweges saß und mich auf den Knien noch halb auf dem Weg sitzend an meinem Rad festhielt.


Hältst das nicht aus, alles viel zu laut
Es läuft „Macarena“, du willst einfach nur nach Haus
Ja, ich bin für dich da, hab' alles schon bezahlt
Kein Geld mehr für Uber, doch wir fahren mit dem Rad

Als der Headhunter anrief und mich fragte ob ich zufällig an einem neuen Job interessierte wäre, hätte mein "Ganz zufällig bin ich das!" nicht euphorischer klingen können. Nach einem live-Gespräch mit meiner Chefin, die mir ans Herz legte meine Stunden zu reduzieren und mich noch dazu die Hälfte der restlichen Zeit aus meinem geliebten Home Office wieder ins Büro schicken wollte, war der Drops für mich dort final gelutscht. Statt ihr nach meinem Urlaub Ende Juli zu sagen wie viele um Stunden ich kürzen möchte, schickte ich am letzten Tag meine Kündigung raus, da ich schon den Arbeitsvertrag der neuen Firma unterschrieben hatte. Es folgte eine Freistellung für die nächsten 4 Wochen, die ich nochmal gut gebrauchen konnte. Doch statt diese mit meinem Urlaub 5 Wochen intensiv für mich zu nutzen, mich zu erden und Kraft zu tanken, für die neue Herausforderung, die ich nicht nur angehen, sondern in der ich aufgehen wollte, musste ich mich mit Lügen, Beichten und dem daraus resultierenden Misstrauen rumschlagen. Das Vorjahr klebte irgendwie wie Scheiße an meinem Hacken und wollte einfach nicht abfallen. Und das Jahr war schon zur Hälfte rum. Eigentlich konnte ich mehr, aber ich dachte die neue Aufgabe würde meine Leben schon wieder in geordnete Bahnen lenken. Doch das tat es nicht.

Bereits am 4. Tag zitierte mich der sich als cholerischer Narzisst entpuppende neue Chef in sein Büro, wo dann Tränen liefen und die nächste Panik-Attacke kickte. Weil ich sie mit aller Macht zu unterdrücken versuchte, folgten 4 weitere kleine in der Bahn auf dem Heimweg. Der Druck war groß, die Last auf meinen Schultern schwer, mein Nacken schmerzte wie lange nicht mehr. Nach der 2. Woche kündigte die erste, nach einem cholerischen Rundumschlag von Chef in unser aller Mittagspause. Nach dem Anschreien am Telefon, bei dem das komplette Kollegium unser Gespräch durch das Headset verfolgen konnte, wuchs mein Unmut dort hinzufahren. Nach 4 Wochen, ging die Kollegin mit der ich zusammenangefangen hatte, meine private Situation war zu diesem Zeitpunkt auch nicht die beste. Ich nahm Urlaub, arbeitete noch 4 Wochen, fing an jeden Tag im Office mehr zu hassen und wurde krank... 

Wärst du 'ne Farbe, würd ich sagen: „Bunt“
Doch neben dir läuft dieser schwarze Hund
Ich seh' ihn ganz genau, er färbt dein Wesen grau 


Mittlerweile war es November. Vor einem Jahr bekam ich eine neue Chefin und die Abwärtsspirale startete. Nach Ärger & Stress, einigen Panik-Attacken, vielen Tränen und endlosem Gedankenkreisen in der Nacht um die Millionen Sorgen, die ich hatte, war 2022 einfach zu 2023 geworden - nur quasi in noch schlimmer. Ich hätte nicht gedacht, dass das geht. Aber ich hätte auch nie gedacht, dass jemand wie ich, jemand der immer die Macherin war, die die alles allein hinkriegt (und das auch noch super) eines Tages mit Burnout krankgeschrieben Zuhause sitzt und sich die Schuhe nicht zubinden kann. Und da kommen wir zu einer der wichtigsten Erkenntnisse, die ich dieses Jahr gewonnen habe:

Denke niemals, es kann Dir nicht passieren.

Und am 08.11.2023 war es dann wieder soweit. Ich weinte morgens in meinen Kaffee, nachdem ich 3h geschlafen hatte und schon 3x auf dem Klo war. Erneut kam der Arzt ins Spiel... Das Spiel ging von vorne los. Akute Stress-Situation. Ich war drauf und dran zu kündigen, ohne etwas im Backend zu haben. Ich wollte nur noch raus, ich wollte das endlich aufhört... Der Arzt verstand mich, nach der Schilderung meines Arbeitsklimas und meint, ich soll es drauf ankommen lassen. Sollen die mich doch kündigen - das erspare mir die Sperre beim Arbeitsamt. Ich war so froh, dass er auf meiner Seite stand. Die stocksteifen Speichellecker in Berlin haben wie es aussah bereits auf einen Grund gewartet die Unkonventionelle (die sie ja unbedingt wollten und mir deswegen so viel Geld zahlten) wieder loszuwerden, weil sie doch "zu anders" war. So kam rein rechnerisch einen Tag nachdem die meine Krankmeldung gesichtete haben auch schon die Kündigung ins haus geflattert. Endlich... Es war vorbei! 

Du bist blass, du bist leise
Voller Hass, alles scheiße
Und das schon seit 'ner Weile
Du bist wach, du bist müde
Ganze Nacht Panikschübe
Keinen Frieden, nur Kriege

Doch irgendwie stellte sich kein Gefühl der Besserung ein.
Ich fühlte mich... nicht mal schlecht. Eher etwas traurig und leer. Vor allem leer. Malen gab mir eine Zeit lang Kraft, so wie der Sport auch, aber bereits nach Kurzem war auch das eher eine Pflichterfüllung um meinen Gesundheitszustand zu verbessern. Wie wenn man Kindern sagt, dass sie Gemüsen essen müssen.

Mir ist schon aufgefall'n, dass du nicht mehr alleine kommst
Ich seh' seine großen Krall'n und weiß, du kannst nicht sein wie sonst
Du hast dich wirklich schwer verändert
Du wirkst auf einmal wie ein Fremder


Ich bin nicht mehr ich... Und das habe der Ärztin bei meinem dritten Arztbesuch während des neuen (und mittlerweile auch schon wieder alten) Jobs auch gesagt - unter Tränen, wild schluchzend und kaum in der Lage einen Satz zu sprechen. Und dann sagte sie etwas, was ich schon seit ein paar Wochen vermutete habe. "Sie sind ja schon schwer depressiv, da müssen wir was machen!"
Und jetzt bin ich in Besitz eines Einweisungsschein... weil ich teilweile 4 Tage brauche um mich dazu aufzuraffen, die Wäsche abzunehmen. Eine Sache, die ich sonst mache, während das Essen für meinen Mann kocht - in meiner Mittagspause. Jetzt möchte ich spät aufstehen, eigentlich nur eingekuschelt in meine Decke oder der Wanne liegen und hoffen dass diese Gefühl nutzlos zu sein und an nichts mehr wirklich Spaß zu haben wieder verschwindet. Ich hab keine Ahnung wann ich das letzte Mal so richtig gelacht hab...

Ganzen Tag nur im Bett
Keiner da, der das checkt
Und du fühlst dich wie Dreck
Willst nicht raus, nicht bewegen
Übers Chaos gar nicht reden
Du bist immer dagegen

Ich hab das alles mal aufgeschrieben, weil ich gehofft habe, ich könnte dann sagen "Es fühlt sich gut an" aber das tut es nicht. Ich fühle gar nichts. Eine Depression zu haben heißt nicht zwingend traurig zu sein. Man kann auch einfach gar nichts fühlen. Sich nicht fühlen. Sich nur nutzlos vorkommen, weil man nichts mehr schafft. Zumindest das Gedanken-Karussell lässt sich stoppen, wenn man die richtigen Medikamente nimmt. So kann ich zumindest schlafen. Jetzt warte ich auf einen Therapieplatz in der Klinik, die sowohl Angststörung als auch Depression aus meinem Leben streichen. Ist ja nicht so als hätte ich seit Sommer nicht nahezu jeden Psychiater im Umkreis von 50km angeschrieben und um Hilfe gebettelt. Manchmal braucht es tatsächlich erst den Einweisungsschein von jemandem der Dich wirklich ernst nimmt und Dich fragt ob Du Dir was antun willst, um endlich Hilfe zu bekommen.
Ich weiß nicht, ob ich darüber berichten werde, wie es hier weitergeht. Wir werden sehen.


Vielleicht fangen die Beiträge dann an mit: "Hi. ich bin Cera."... "Hallo Cera"

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